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          Verborgene Schätze der Lehrmittelsammlung

          Neue technische und gesellschaftliche Erkenntnisse fanden immer Eingang in den Unterricht beruflicher Schulen. Das schlug sich natürlich auch in der Anschaffung von neuen Lehrmitteln und Demons-trationsgeräten nieder. Als Folge davon – bei fast schon naturgemäß beengten Platzverhältnissen – mussten die ‚alten’ Lehrmittel weichen. Auch die Veränderungen der Schullandschaft nach dem 2. Weltkrieg und und das Ende der DDR hinterließen Spuren im Lehrmittelbestand:

          • Viele der alten Lehrmittel wurden und werden zum Teil wegen mangelnder Funktion entsorgt.
          • Einige wurden ‚verlegt’ – und vielleicht nicht mehr gefunden: Eine Internet-Suche nach historischen physikalischen Apparaten im Bereich Universitäts- und Schulsammlungen zeigt oft den Eintrag: "Verbleib unbekannt"
          • Manche stehen aber noch in stillen Ecken in den entsprechenden Kabinetten, bilden den "historischen Teil der Lehrmittelsammlung" und bekommen heute gerade dadurch eine vollkommen neue Bedeutung.

           

          Solche verborgenen Schätze sollen hier vorgestellt werden.

           

           

          Bessemerbirne

          Hersteller: Koehler & Volckmar

          Baujahr: vor 1945         Herkunft: Städt. Gewerbeschule Freital

           

          Die Bessemerbirne ist ein birnenförmiges feuerfestes Gefäß, mit dem aus Roheisen Stahl erzeugt wird. Das Verfahren wird nach seinem Erfinder Henry Bessemer benannt, der es  Mitte des 19. Jahrhunderts in England entwickelte. Das Verfahren wurde später durch das Thomas-Verfahren optimiert. In heutigen Konvertern wird Sauerstoff mit einer Lanze auf die Schmelze geblasen (LD-Verfahren).

          In der Bessemerbirne wird Luft durch das im Hochofen geschmolzene  kohlenstoffreiche Roheisen geblasen. Der Kohlenstoff und andere Elemente verbrennen zu Kohlenstoffmonooxid, Kohlenstoffdioxid und anderen Oxiden, wodurch die Temperatur der Schmelze weit über die Schmelztemperatur des Roheisens von 1.150 °C ansteigt, mindestens auf die des Stahls, welche bis zu 1.536 °C betragen kann. Wenn der Kohlenstoffgehalt im Eisen unter einen bestimmten Wert gesunken ist, ist aus dem Roheisen Stahl entstanden.

          Das hier abgebildete Modell kann mit Wasser gefüllt werden. Über einen Druckluftanschluss wird Luft in in den Windkasten gedrückt und entweicht über Düsen in die Birne. Das gut sichtbare Aufsteigen der Luftblasen simuliert den Blasvorgang. Eine Glühlampe im Hintergrund schafft die Illusion flüssigen Eisens. Mit einer kleinen Kurbel wird die Birne nach dem Blasvorgang in Gießstellung gekippt.

           

          Rollbild "Glockenguß", Verlag Der Neue Schulmann in Stuttgart, Nr. 4010, ca. 1960

          Rollbilder waren jahrzehntelang eine praktikable Lösung, Schülern komplexe Sachverhalte zu veranschaulichen. Sie konnten ohne Hilfsenergie und ohne Verdunklung des Raumes benutzt werden. Da die Herstellung z.T. aufwändig war und die Bilder über Jahre hinweg verwendet werden sollten, stellte man an die Bildgestaltung in didaktischer Hinsicht hohe Forderungen. Ein Beispiel dafür ist die Darstellung einer Glockengießerei auf der folgenden Abbildung. Hier ist es gelungen, einen komplexen Arbeitsablauf (Formerei, Schmelzerei, Gießerei, Nachbearbeitung) auf nur einem Bild wiederzugeben. Das könnte kein noch so gutes Foto leisten.

           

           

          Ein Manometer (Druckmesser) der Lehrmittelfirma Max Kohl in Chemnitz. Derartige Messgeräte waren Bestandteil zahlreicher Versuchsanordnungen dieses Herstellers, die er in Lehrmittelkatalogen mit ca. 1000 Seiten Umfang anbot. Die Kataloge sind eine Fundgrube. Sie wurden in mehreren Sprachen gedruckt und an Schulen in aller Welt verschickt. Das Angebot an Experimentier- und Vorführgeräten war riesig verglichen mit dem heutigen Angebot. (Preisliste um 1900)

           

           

          Demonstrationsamperemeter

          Hersteller: Physikalische Werkstätten A.G. Göttingen

          Baujahr: ca. 1920

           

          Die o.g. Firma wurde 1913 als Gesellschaft zur Erforschung des Erdinnern mbH von Dr. Gotthelf Leimbach gegründet. Im Jahr 1918 wurde sie in Physikalische Werkstätten umbenannt und mit der Herstellung von Physiklehrmitteln begonnen.

           

          Neben dem gediegenen Äußeren (Eichenholz, Messing) fallen die Anschlussklemmen auf, in die einfach geeignete Drähte geklemmt wurden, da es genormte Buchsen und Stecker noch nicht gab.

           

           

          Rollbild eines Turbinenluftstrahltriebwerkes

          Dieses Lehrmittel erinnert an den 1954 begonnenen Flugzeugbau in der DDR. Die Technik der Strahlflugzeuge steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen, entwickelte sich aber schnell. Für die rohstoffarme DDR erhoffte man sich vom Flugzeugbau  einen Innovationsschub für die gesamte Wirtschaft. Folgerichtig waren Aufbau und Funktion des Strahltriebwerkes für den Physikunterricht interessant.

          Das abgebildete Triebwerk ist ein Einwellentriebwerk mit 12 Verdichterstufen. Trotz der für den Schulunterricht vereinfachten Abbildung ist die Ähnlichkeit mit dem für das erste deutsche Strahlverkehrsflugzeug B152 entwickelte TW Pirna 014 unverkennbar.

          Die Funktion des Triebwerkes wird in einem zeitgenössischen Werbefilm erklärt:   

           

          Modell einer Flugzeugsteuerung

          Auch dieses Lehrmodell ist ein Überbleibsel aus der Zeit des Flugzeugbaus. Es dient der Veranschaulichung der Steuerung eines Flugzeuges durch Querruder, Höhenruder und Seitenruder. Die Silhouette des Modells weist Ähnlichkeiten zum Flugzeug IL-14 auf, welches in den 50er Jahren in Dresden produziert wurde.

          Der Flugzeugbau der DDR war in dieser Zeit populär und selbst das Sandmännchen kam am Abend im Flugzeug zu den Kindern.

          Das unten gezeigte Lehrmodell hing viele Jahre im Physikraum einer Dresdner Polytechnischen Oberschule

           

           

           

           

          Schnittmodell einer Dampfkessel-Nietverbindung

          Herkunft: Städt. Gewerbeschule Freital

          Genietete Dampfkessel waren vor 100 Jahren Bestandteil vieler Dampfmaschinen. Die Niete wurden im glühenden Zustand eingesetzt und geschlossen. Beim Abkühlen zogen sich sich zusammen und pressten die Bleche fest aufeinander.

          "Die Nieten bestehen aus bestem zähem Flußeisen, seltener Schweißeisen. Sie sind an den Enden mit Köpfen versehen. Der zylindrische Teil der Niete heißt "Schaft". Derjenige Kopf a welcher vor dem Einbringen der Niete in das Nietloch schon vorhanden ist, heißt "Setzkopf", derjenige dagegen, welcher durch Zusammenstauchen des ursprünglich über das Blech d hinausragenden Schafts gebildet wird, heißt "Schließkopf."

          (aus "Die Dampfkessel", Friedrich Barth, Leipzig 1911)

          Die dunklen Linien in der Schnittfläche sind Seigerungen (Entmischungen), die durch Anschleifen und Ätzen der Fläche sichtbar gemacht wurden.

           

          Funktionsmodell eines Viertaktmotors

          Hersteller: VEB Max Kohl

          Baujahr: ca. 1950

           

          Die Aufkleber lassen Rückschlüsse auf Baujahr und Vorbesitzer zu.

           

          Physikunterricht an der Berufsschule: Der Unterschied zwischen 2-Taktmotor und 4-Taktmotor wird am Modell erklärt.    (Aufnahme ca. 1960)

           

           

          Manchmal sind es einfache Hilfsmittel, die das Begreifen erleichtern. Das nächste Modell dient der Veranschaulichung des Begriffes "Gewindesteigung".

          Auch bei diesem Lehrmittel sind Vorbesitzer und Hersteller noch erkennbar. Die Allgemeine Berufsschule IV war auf der Ehrlichstraße Nr.1, zuvor befand sich in diesem Gebäude die 6. Volksschule. Heute wird das Gebäude durch das BSZ für Gastgewerbe genutzt.

           

          Die Aufgabe des rechts abgebildeten Gerätes ist nicht auf den ersten Blick verständlich. Genau aus diesem Grund wurden Objekte aus technischen Sammlungen oft achtlos entfernt. Das betrifft Lehrmittel beruflicher Schulen genauso wie bedeutende Kunstsammlungen.

          In diesem Fall erleichterte die Herkunftsangabe "Deutsche Uhrmacherschule Glashütte" die Nachforschungen. Bei dem Gerät handelt es sich um ein sog. "Astatisches Nadelpaar". Mit seiner Hilfe ist es möglich, den schwachen Magnetismus in Uhrenteilen sichtbar zu machen.

          An einem Faden sind zwei Nadelförmige Magnete aufgehängt, deren Nord-Süd-Polung entgegengesetzt ist. Damit wird der Einfluss des Erdmagnetfeldes aufgehoben. Nähert man nun ein Stahlteil den Enden des Nadelpaares, so kann man an der Bewegung des Nadelpaares erkennen, ob das Teil magnetisch ist oder nicht. Von einem neutralen Stahlteil werden beide Enden angzogen, ein magnetisiertes Stahlteil würde ein Ende abstoßen und das andere Ende anziehen.

           

          Das hier gezeigte Rollbild einer Spiegelreflexkamera zeigt eine Exakta Varex im Schnitt. Der Grafiker Fritz Hampel hat diese beeindruckende Schnittdarstellung in den 50er Jahren geschaffen.

          Fritz Hampel zeichnete die Illustrationen für viele Chemie- und Physiklehrbücher, oftmals als farbige räumliche Darstellung. Es ist anzunehmen, dass dieses Bild vorrangig für den Physikunterricht (Optik) gedacht war, aber gerade in Dresden auch an Berufs-schulen Verwendung fand.

          Die Exakta Varex wurde von 1949 bis 1970 in Dresden gefertigt und war weltweit eine der erfolgreichsten Kameramodelle. Objektive verschiedener Hersteller und ein auswechselbarer Sucher machten sie zum Werkzeug professioneller Fotografen. Als Spiegelreflexkamera war die Exakta Varex für die Makro- und wissenschaftliche Photographie geeignet.

          Das Filmpublikum kennt die Kamera aus dem amerikanischen Film "Das Fenster zum Hof" von Alfred Hitchcock  (1954).



           

           

          Rollbild "Kastenguß ohne Kern", Herausgeber: Deutscher Ausschuss für Technisches Schulwesen

          Herkunft: Betriebsberufsschule des VEB Edelstahlwerk 8. Mai 1945 Freital, nach 1945

          Der DATSCH war ein Kind der großen Metall- und Elektrobetriebe in Deutschland. Es war die erste Organisation, die sich ausschließlich der beruflichen Bildung widmete. 1911 verabschiedete der DATSCH die Leitsätze zur Erziehung der Facharbeiter-schaft für die mechanische Industrie. Die Arbeiten des DATSCH wirkten auch weit ins Nachkriegsdeutschland hinein. Das vorliegende Rollbild wurde in der Nachkriegszeit durch den Verlag Volk und Wissen als Nachdruck oder aus Restbeständen vertrieben. Es besteht lediglich aus Papier und wurde nicht, wie später üblich, durch Leinwand kaschiert.

           

          Foto:

           

          Das Modell wurde im Lehrmittelkatalog von 1911 als Differentialwinde bezeichnet. Mit  dieser einfachen Vorrichtung wird die Kraft zum Heben des Gewichtes verringert und damit die sog. "Goldene Regel der Mechanik" veranschaulicht.

          Das Gewicht und die lose Rolle waren im Laufe der Zeit abhanden gekommen und so wäre die Winde fast im Brennholz gelandet. Mit Hilfe der Lehrwerkstatt des BBW konnte nach historischem Vorbild Ersatz geschaffen werden. Nun dient die Winde wie vor 100 Jahren zur Veranschaulichung von Kräften und Momenten im Unterricht.

           

           

          Hier sehen wir ein weiteres Unterrichtsmittel unserer Sammlung. Laut Katalog von 1911 handelt es sich um "vier einfache Vergleichswiderstände", die durch konische Stöpsel kombiniert werden können. Derartige Anordnungen wurden zum Beispiel für Messbrücken verwendet, um Widerstände sehr genau bestimmen zu können.

          Auf der Seite www.historische-messtechnik.de sind viele ähnliche Geräte näher beschrieben.

           

           

          Modell eines Sicherheitsventils für Dampfkessel

          Hersteller: unbekannt

          Baujahr: vor 1945         Herkunft: Städt. Gewerbeschule Freital

          Dieses 1:1 Holzmodell eines Sicherheitsventils für Dampfkessel war gleichermaßen für den Fachkundeunterricht und den Zeichenunterricht geeignet. Da es überwiegend aus Holz besteht, ist es viel leichter als das Original. Das freut natürlich jeden Metall-Lehrer, der häufig schwere Metallteile durchs Schulhaus zu tragen hat.

          Jedes Bauteil des Modells hat eine eingeprägte Nummer, die die Anfertigung einer Stückliste erleichtert.

          Derartige Ventile gehörten zu jeder Dampfmaschine. Sie öffnen sich selbsttätig, wenn der Druck im Dampfkessel zu groß wird. Das Ventil wird angehoben, wenn das Produkt Dampfkraft x kurzer Hebelarm größer ist als das Produkt Gewicht x langer Hebelarm.

          Kenntnisse über die Funktionsweise von Dampfmaschinen werden in vereinfachter Form bis heute im Physikunterricht vermittelt. Die bekannteste Darstellung ist wahrscheinlich die des Lehrers Bömmel aus Heinrich Spoerls " Feuerzangenbowle:

          "... Aha, heute krieje mer de Dampfmaschin. Also, wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch. Dat eine Loch, dat is de Feuerung. Und dat andere Loch, dat krieje mer später. ..."

           

           

          Stahlkugel mit Ring nach Gravesande zur Demonstration der Ausdehnung von Körpern bei Erwärmung.

          Hersteller: VEB Max Kohl

          Baujahr: ca. 1950


          Der sog. Gravesande-Ring ist ein Experiment zur Demonstration der Wärmeausdehnung von Körpern, das im Physikunterricht gezeigt wird. Es besteht aus einer kleinen Metallkugel, die an einer Kette an einem Ständer aufgehängt ist. Darunter befindet sich ein Metallring. Bei gleicher Temperatur passt die Kugel gerade so durch den Ring. Wenn die Kugel jedoch durch eine Spirituslampe erhitzt wird, dehnt sie sich aus und passt nicht mehr. Erst nach Angleichung der Temperaturen fällt die Kugel durch den Ring.

          Willem Jacob’s Gravesande (1688-1742) war ein niederländischer Astronom, Philosoph, Physiker und Mathematiker. Die Arbeiten ’s Gravesandes hatten einen starken Einfluss auf die experimentelle Physik des achtzehnten Jahrhunderts.

           

           

          Modell eines Kragbalkens zur Demonstration der Verformung infolge von Biegespannungen

          Hersteller: unbekannt

          Baujahr: ca. 1950


          Dieses Modell wird seit über 50 Jahren bei der Ausbildung von Bauzeichnern an unserer Schule genutzt. Kragbalken werden durch Biegespannungen im oberen Querschnittsbereich auf Zug, im unteren Querschnittsbereich auf Druck beansprucht. Die größten Spannungen treten am Auflager auf, dort ist die Verformung sichtbar größer als am anderen Ende. Die Metallstäbe in den einzelnen Abschnitten des Balkens machen diesen Zusammenhang deutlich.

          Abbildungen in Büchern und im Internet sind in dieser Hinsicht oft fehlerhaft. 

          In die Nut im oberen Bereich des Balkens (Zugzone) lässt sich ein Stahlstab als Bewehrung einlegen, der die Verformung deutlich vermindert.