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        • Wandtafelzeichnen

        • Trotzdem unser Schulgebäude noch recht neu ist, wurden bei der Einrichtung traditionelle Kreidewandtafeln nicht vergessen. Sie ermöglichen auch in der Zeit der Beamer und Visualizer Tafelbilder, deren Entstehung der Schüler miterlebt. Diese Bilder sind nicht von Dauer, selten werden sie älter als eine Unterrichtsstunde. Aber als Unterrichtsmitschriften der Schüler überdauern sie oft Jahrzehnte.

          Tafelbilder geben dem Lehrenden die Möglichkeit anschaulich zu lehren und komplizierte Sachverhalte nach Belieben didaktisch zu vereinfachen. Mit dem Tafelbild kann sich der Lehrer an die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Schülers anpassen. Deshalb gehörte das Wandtafelzeichnen seit jeher zu Ausbildung des Lehrers. Wer erinnert sich nicht an die empfohlenen Standardwerke zu diesem Thema.

           

          Dass das Gestalten mit farbiger Kreide nach wie vor die Kreativität bei Schülern und Lehrern fördert beweist die Freie Waldorfschule. Hier sind bei Lehrer-Fortbildungsveranstaltungen  Seminare zum Wandtafelzeichnen fester Bestandteil. Neben Abhandlungen aus den 50er Jahren gibt es auch gleichnamige Titel aus heutiger Zeit, wie dieses Schweizer Buch.

           

          Das folgende Bild zeigt den Zeichensaal des ehemaligen Lehrerseminars in Dresden-Strehlen (erbaut 1906-1910). An den Seitenwänden befanden sich Linoliumbeläge, "auf welchen die Schüler sich im Freihandzeichnen mit Kreide üben können".1

           

          Besonders intensiv wurde und wird die Wandtafel in naturwissenschaftlichen Fächern genutzt. Offensichtlich werden die Fertigkeiten zum Gestalten eines "Tafelbildes" durch häufiges Üben erworben und beruhen weniger auf besonderer Begabung des Lehrers. "Eine Skizze sagt mehr als hundert Worte" ist ein in den Technikwissenschaften geflügeltes Wort. Das folgende Bild zu zeichnen dauerte ca. 30 Minuten. Das erscheint auf den ersten Blick viel. Vergleicht man diese Zeit aber mit dem Aufwand, den beispielsweise das Formatieren eines Textdokumentes oder einer rechnergestützten Präsentation erfordert, relativiert sich diese Angabe.

           

           

          Die Darstellung einer Dampfmaschine war als Einstieg in das Thema Steuerungs- und Regelungstechnik enstanden (Fliehkraftregler). Sie lässt sich aber nach Belieben auch für andere Themen nutzen: Zweiseitiger Hebel, mechanische Verbindungen, Wirkungsgrad, Rädergetriebe, ...

           

          Auch das Bild des Kugelgewindetriebes ließ sich gleich in mehreren Unterrichtsstunden verwenden. Es ist eine Baugruppe, die typisch für moderne CNC-Werkzeugmaschinen ist. Bei Themen wie Reibung, Getriebe, Linearführung und spielfreier Antrieb ließ sich das Bild nutzen. Natürlich kann der Schüler ähnliche Abbildungen im Lehrbuch oder im Internet betrachten. Aber dort ist es nur eines von vielen Bildern, über die das Auge ruhelos gleitet.

           

          Die Wandtafel ist auch für Bilder zu Jahreszeiten und Festen geeignet. Es ist erfreulich zu erleben, wie Jugendliche, die mit ihrem Smartphone innerhalb von Sekunden Fotos aus aller Welt abrufen, trotzdem  von einer simplen Kreidezeichnung angesprochen werden.

           

          Freude am Wandtafelzeichnen kommt nur dann auf, wenn die Tafel vorher sorgfältig gesäubert wurde. Allzu oft findet der Lehrer beim Betreten des Unterrichtsraumes folgendes Bild vor:

           

          Dabei ist Tafelwischen keine Hexerei und dauert kaum länger als eine Minute. Vorausgesetzt man verfügt über ein Waschbecken, einen Viskoseschwamm und einen geeigneten Wischer. Der spezielle Wischer dient zum schnellen Trocknen der Tafel nach dem Waschen. Herkömmliche Abzieher für Glasscheiben sind dafür wenig geeignet.

           

          Von diesem Schwamm ist nicht mehr viel zu erwarten, er gehört in den Müll.

          Effektiver als mit dem viel gepredigten "von oben nach unten wischen" geht das Tafelwaschen nach einem konzentrischen Rechteckmuster. Dabei entfallen zeitraubende Leerbewegungen. Der Begriff "Waschen" ist zutreffend, weil mit viel Wasser gearbeitet werden sollte. Ein lediglich feuchter Schwamm verschmiert den Kreidestaub, löst ihn aber nicht.

           

          Übrigens arbeiten moderne CNC-Maschinen, an denen unsere Lehrlinge ausgebildet werden, nach ähnlichen Mustern. Hier zählt jede Sekunde!

           

          Zum Schluss wird das Kreide-Wasser-Gemisch abgezogen. Wird der Wischer dabei von links nach recht bewegt, kann das Wasser direkt in den bereitgelegten Schwamm abfließen. Dann noch einmal über die Kreideablage gewischt und fertig ist die Tafel. Schwamm auswaschen nicht vergessen. Schüler und auch Kollegen, die diesen Vorgang das erste mal miterleben, sind verblüfft über die Schnelligkeit und Gründlichkeit des Verfahrens: Ganze 40 Sekunden hat die Reinigung gedauert.

           

           

          Wem es pedantisch vorkommt, dass hier ein scheinbar banaler Vorgang wie das Tafelsäubern beschrieben wird, der schaue zum Vergleich nur mal ins Internet unter dem Stichwort "Auto waschen".

           

          Für die Anfertigung von technischen Zeichnungen ist eine saubere Tafel besonders wichtig, denn die Lehrlinge müssen Schritt für Schritt im Heft nachvollziehen, was ihnen der Lehrer an der Tafel vormacht.

           

           

          Die Konstruktion einer Ankerhemmung für eine mechanische Armbanduhr erfordert besonders exaktes Arbeiten. Viele Hilfslinien sind erforderlich. Winkel werden mit einer Genauigkeit von einem halben Grad gezeichnet. Trotzdem muss alles übersichtlich bleiben, damit die Schüler jeden Schritt nachvollziehen können.

           

           

           

          Aufwändigere Tafelbilder muss man in der Pause oder einer Freistunde vorbereiten. Ein entsprechender Hinweis verhindert, dass das Bild vor der Zeit gelöscht wird.

           

          Das beiden folgenden Tafelbilder wurden im Unterricht bei Technischen Produktdesignern gezeichnet. Die Lehrlinge sollten sich einerseits im Skizzieren üben und gleichzeitig Kenntnisse über den Aufbau und die Funktionsweise von Messgeräten erwerben. Die Vorlagen stammen von Moritz Großmann, dem Gründer der Deutschen Uhrmacherschule Glashütte.

           

           

           

          1 Der Neubau des Lehrerseminars zu Dresden-Strehlen, Festgabe zur Weihe-Feier am 6. April 1910, Römmler & Jonas, Dresden-A.